Jung und gesund im Schlaf

Der folgende Text stammt von Julia Brunhofer für die ORF Nachlese Jänner 2025.

Im „gesunden Gespräch“ mit Dr. Meryn: Prim. Assoz.-Prof. PD Dr. Stefan Seidel (ärztlicher Leiter Klinik Pirawarth; Neurologe, Somnologe), Mag. Dr. Brigitte Holzinger (Schlaf- und Traumforscherin), Josef Hoza (Vorsitzender der Selbsthilfe Schlafapnoe Österreich)

Neben Ernährung und Bewegung ist der Schlaf eine der wichtigsten Säulen unserer Gesundheit. Was passiert bei Schlafmangel? Was genau ist überhaupt guter Schlaf und wie lässt er sich beeinflussen?

Schlechter Schlaf schadet der Gesundheit und permanenter Schlafmangel kostet Lebensjahre, sagt die Wissenschaft. Dennoch leiden bis zu 30 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher unter Schlafproblemen. Ganz nach dem Motto „Schlaf ist die beste Medizin“ ist es entscheidend, die Grundlagen für einen gesunden Schlaf zu verstehen.

Meryn: „Man hört immer wieder, dass sieben Stunden Schlaf ideal sind – stimmt das und ist es das auch für Sie persönlich?“
Seidel: „Ich finde 8–8,5 Stunden angenehm, komme aber selten dazu, habe aber meine übliche Zubettgeh-Zeit zwischen 22 und 23 Uhr.“
Holzinger: „Ich tendiere auch zu den acht Stunden. Und Regelmäßigkeit ist vorrangig, also versuche ich auch immer zur selben Zeit zu Bett zu gehen und aufzustehen.“
Hoza: „Ich gehe meist gegen 24 Uhr schlafen, schlafe 6–7 Stunden und bin nicht immer ausgeschlafen.“

Meryn: „Warum schläft der Mensch und was passiert, wenn wir nicht genug schlafen?“
Seidel: „Der Mensch schläft letztlich, um Energie zu sparen. Man könnte auch überlegen, ob nicht der Schlaf unser Grundzustand ist, der es uns ermöglicht, im Wachzustand das zu tun, was wir wollen und müssen: Nahrung zu suchen, uns Energie zuzuführen und uns zu vermehren. Also wir schlafen, um uns zu erholen und das Gehirn zu reinigen. Das heißt, Stoffe und Bausteine abzutransportieren, damit das Gehirn im Wachzustand wieder die vielen Funktionen erfüllen kann, die es erfüllen muss. Was passiert, wenn wir schlecht, zu kurz oder unregelmäßig schlafen? Da könnte man plakativ sagen: Dann leben wir nicht so lange – laut Studien. Fest steht, wir leben nicht so lange gesund. Wir erkranken also früher an einer Vielzahl an Erkrankungen, das wissen wir mittlerweile. Und ganz unmittelbar merken wir nach einer nicht gut geschlafenen Nacht, dass wir uns nicht konzentrieren können, nicht so leistungsfähig sind und nicht der- oder diejenige sein können, der oder die wir sein wollen.“

Jung und gesund im Schlaf

Der Traum hat einen wichtigen Stellenwert für Gesundheit und Wohlbefinden

Meryn: „Die Rolle des Schlafes wird in der Gesellschaft wie auch in der Medizin immer noch unterschätzt – Sie haben das jetzt sehr deutlich gesagt und es ist wissenschaftlich klar erwiesen, dass Störungen des Schlafes wirklich zu einer Verkürzung der gesunden Jahre und der Lebensdauer führen. Doch ob Säugling, Jugendlicher oder Erwachsener im Schichtbetrieb – jeder schläft unterschiedlich lange.“

Holzinger: „Grundsätzlich kann man sagen, dass der Schlaf von Geburt an immer etwas weniger wird und sich im Erwachsenenalter einpendelt – wobei man beim Schlaf erst mit etwa 23 Jahren erwachsen ist, wenn das Hirn sozusagen gereift ist. Ein Säugling schläft verkehrt proportional zum Erwachsenen, also etwa 16 Stunden. Und davon ca. die Hälfte, also acht Stunden im sogenannten aktiven Schlaf, der dann später zum REM-Schlaf wird, der auch der Traumschlaf ist. Hier möchte ich auch die Wichtigkeit des Träumens unterstreichen. Ab 25/35 Jahren wird der Schlaf dann fragiler. Mit zunehmender Lebenserfahrung nimmt die Schlafdauer ab, aber: Wenn wir für unseren Schlaf sorgen, bleibt er uns im Großen und Ganzen erhalten. Und das sind die besten Voraussetzungen dafür, gesund zu bleiben.“

Meryn: „Herr Hoza, Sie haben eine Selbsthilfegruppe gegründet und sind heute hier, weil es so viele Menschen gibt, die gar nicht wissen, dass sie auch dieses Problem haben: Schlafapnoe. Wie war Ihr Weg?“
Hoza: „Ich war damals noch im Berufsleben und habe Schlaflabore an Krankenhäuser verkauft, habe Ärzte und Assistenten eingeschult und in meinen Schulungen erfahren, dass die Schlafapnoe meist Übergewichtige betrifft, hab an mir runtergeschaut und gemeint: Da gehöre ich nicht dazu. Dann bin ich auf der Autobahn eingeschlafen. Das war ein riesiger Schrecken. Aber ich habe zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, dass ich Schlafapnoe habe.“

Meryn: „Was bedeutet Schlafapnoe, einfach erklärt?“
Hoza: „Das sind Atempause im Schlaf, die im Schlaflabor mehr als zehn Sekunden dauern. Ab zehn Sekunden wird eine Schlafpause gemessen und diese können hunderte Male pro Nacht auftreten und mehr als zwei Minuten am Stück dauern. Das heißt, ich vergesse zu atmen, im Blut ist zu wenig Sauerstoff und damit auch in den Organen. Und eines der Symptome ist Tagesmüdigkeit. Mit unserer Selbsthilfegruppe wollen wir die Ärzte unterstützen, denn sie haben bekanntlich nicht übermäßig viel Zeit, um jeden Patienten über alle Einzelheiten aufzuklären.“

Jung und gesund im Schlaf

Schlaflabore helfen, klinische Schlafstörungen zu diagnostizieren

Meryn: „Welche Formen von Schlafstörungen gibt es noch?
Seidel: „Schlafapnoe ist mit Unterformen eine große Gruppe. Die bekannteste ist wohl die Insomnie, Ein- und Durchschlafstörungen. Es gibt aber auch schlafbezogene Bewegungsstörungen – etwa das Restless-Leg-Syndrom, wobei man stets die Beine bewegen oder aufstehen muss. Dann gibt es die Hypersomnolenz-Syndrome, da ist das bekannteste Beispiel die Narkolepsie. Das sind Menschen, die ungewollt immer wieder einschlafen bzw. sogar Anfälle haben, in denen sie bei starken Emotionen keine Kontrolle über die Muskulatur mehr haben und schlimmstenfalls stürzen. Und dann gibt es Parasomnien als gewisse Verhaltensweisen aus dem Schlaf heraus, die durchaus bizarr anmuten können; Schlafwandler etwa oder ältere Menschen betreffend, REM-Schlafstörungen, wobei plötzlich im Traumschlaf Trauminhalte ausagiert werden.“

Meryn: „Stichwort Traum und seine Bedeutung. Träumt man jede Nacht und welche Funktion hat der Traum?“
Holzinger: „Der Traum wird noch stiefkindhafter behandelt als der Schlaf. Wir hoffen, dass man immer mehr erkennt, wie wichtig es ist, das Träumen zu unterstützen. Wir wissen, dass wir während einem bestimmten Schlafstadium, dem REM-Schlaf, den wir allnächtlich vollziehen, auch träumen. Es wird diskutiert, ob nicht im gesamten Zyklus und damit in allen Schlafstadien geträumt wird. Wenn jemand gar nicht schläft und seinen REM-Schlaf auslässt, hat er die Tendenz, diesen nachzuholen. Wir nennen das REM-Rebound und daran sieht man: Es muss wichtig sein.“

Meryn: „Warum kann man sich nicht immer an die Träume erinnern?“
Holzinger: „Wie wir heute wissen, sind wir von der Physiologie und Biochemie her, trotz der wunderbaren Bilder in der REM-Phase, auf Entspannung ausgerichtet, sodass wir die Erinnerung nicht vorgesehen hätten. Man kann sich aber erinnern, wenn man sich darum bemüht. Wir gehen davon aus, dass wir im Traum auch Erlebnisse des Tages verarbeiten und da ist es wahrscheinlich okay, wenn man sich nicht alles merkt.“

Meryn: „Sie schlafen jetzt mit einer Maske, Herr Hoza – welchen Zweck hat sie?“
Hoza: „Mit einem kleinen Beatmungsgerät bekomme ich einen Überdruck auf die Maske und dieser öffnet meine Atemwege bzw. unterstützt die Öffnung, sodass ich einfach ein- und ausatmen kann. Wenn ich mit Maske schlafe, habe ich ein sehr schnelles Einschlafverhalten. Das zischende Geräusch ist mittlerweile so vertraut geworden, dass ich keine fünf Minuten brauche, um einzuschlafen. Zum Schlafverhalten – auch ich muss nachts auf die Toilette gehen. Übrigens ist es dabei sehr wichtig, kein helles Licht aufzudrehen, denn das signalisiert Aufwachen. Dann ist das Weiterschlafen komplizierter. Aber zurück zur Maske: Nicht alle Menschen kommen damit zurecht. Es gibt auch Zahnschienen als Alternative – zumindest bei leichten bis mittleren Fällen. Aufklärung ist hier ganz wichtig, die leider oft fehlt.“
Seidel: „Gerade bei leichteren Fällen der Apnoe gibt es auch die Möglichkeit, die Spannung in der Muskulatur des Hals- und Schlundbereiches aufzubauen – da ist Singen oder Musizieren mit dem Didgeridoo gut – dazu gibt es auch Studien. Also es gibt sinnliche und freudvolle Alternativen. Aber bei schweren Fällen ist die Maske sozusagen Goldstandard.“

Meryn: „Stimmt es, dass die Schule zu früh beginnt, weil Jugendliche ein anderes Schlafverhalten haben?“
Holzinger: „Von der Chronobiologie – der Erforschung der inneren Uhr – wissen wir, dass ab der Vorpubertät beginnend ein eigener Rhythmus entwickelt wird, sprich: Jemand wird zum Abend- oder Morgenmenschen. Studien zeigen, dass man allen entgegenkommen würde, wenn man später beginnt. Im Durchschnitt wären alle Schüler um einen Grad besser und es würde weniger Mobbing vorkommen, da Müdigkeit zu schlechter Laune führt.“

Meryn: „Meinen Sie damit, dass Schlafstörungen auch ein politisches Problem sind?“
Holzinger: „Es ist zum Luxus geworden, ausreichend Schlaf zu bekommen. Ganz viele können sich das nicht leisten. Und gerade Schichtarbeiter gefährden ihre Gesundheit – auch langfristig. Und die Menschen allgemein sollten unbedingt mehr über das Thema Schlaf wissen.“

Jung und gesund im Schlaf

Guter Schlaf ist die beste Basis für ein gesundes und langes Wohlfühlleben.

Meryn: „Herr Hoza, melden sich auch Angehörige?“
Hoza: „Relativ selten, wobei sie natürlich genauso unter Schlafstörungen der Partner leiden. Meist versucht man einmal innerhalb der eigenen vier Wände eine Lösung zu finden – die betroffene Person nutzt meist ein anderes Zimmer zum Schlafen oder Ohrstöpsel werden verwendet. Oft brauchen wir aber die Hilfe von Angehörigen, um den Betroffenen, meist sind es Männer, zum Arzt zu bringen.“

Meryn: „Welches sind häufige andere Ursachen für Schlafstörungen?“
Seidel: „Psychische Belastungen und die psycho-physiologische Reaktion darauf; posttraumatische Belastungsstörungen, Schmerzen oder Medikamente, welche die Erholsamkeit des Schlafes negativ beeinflussen können. Und natürlich können andere Schlafstörungen eine Insomnie begünstigen.“

Meryn: „Was ist der richtige Patientenweg?“
Seidel: „Unsere Daten zeigen, dass sich rund die Hälfte der Menschen aktiv Hilfe holen – das ist gut, aber ausbaufähig. Am besten zuerst den Allgemeinmediziner aufsuchen. Da sollten wir uns daranmachen, diese Kolleginnen und Kollegen mit effizienten Screening-Fragen auszustatten und das Wissen zu teilen. Und dann sollte eine entsprechend frühe Überweisung in ein Schlafzentrum oder an einen Spezialisten folgen. Leider gibt es zu wenige, die Wartezeiten sind zu lang.“

Meryn: „Wie sieht nun eine Therapie aus?“
Holzinger: „Genau aus diesem Grund haben wir Schlafcoaching entwickelt. Das bedeutet: psychologische Ansätze, Entspannung, Traumarbeit und Aufklärung.“

Meryn: „Welches sind die neuesten Entwicklungen der Schlaftherapie?“
Seidel: „Wichtig ist, dass die erste Wahl in der Behandlung der Insomnie die kognitive Verhaltenstherapie ist und nicht das Arzneimittel. Zweitens, dass wir in der Behandlung der Schlafapnoe ein breites Spektrum an Möglichkeiten haben – natürlich das Technische, aber wir müssen auch über Verhalten nachdenken und in vielen Fällen eine Gewichtsreduktion. Bei der Narkolepsie, das ist ein kleines, aber schwer betroffenes Segment, haben wir in den nächsten Jahren mit neuen Medikamenten zu rechnen. Ganz wichtig ist auch der Schlafrhythmus, den man mit Trackern gut messen kann und hier könnte man über telemedizinische Anwendungen nachdenken.“

Meryn: „Was möchten Sie den Menschen noch mit auf den Weg geben?“
Hoza: „Wichtig ist eine Schlafdauer von mindestens 6–7 Stunden, aber nicht nur leichter Schlaf, sondern auch erholsamer Tiefschlaf. Da werden nämlich Körper wie Immunsystem regeneriert. Die Schlafdauer alleine ist aber zu wenig, die Qualität des Schlafes ist entscheidend. Und bei Schlafapnoe hat man meist nur Leichtschlaf und zu wenig Tiefschlaf.“
Holzinger: „Ich möchte mitgeben, dass man einer Schlafstörung gegenüber nicht ausgeliefert ist und dass es viele Wege gibt, den guten Schlaf wiederzufinden. Es lohnt sich, ihn zu suchen und sich aufs Träumen zu freuen. Denn wer träumt, der schläft.“
Seidel: „Schlaf ist Teil unseres Rhythmus, unseres Lebens, hier muss viel gut zusammenspielen und wir brauchen einen stabilen Rhythmus, um lange gesund zu bleiben und lange Freude am Leben zu haben.“