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Covid-genesen heißt nicht immer gesund

Selbst nach einem milden Krankheitsverlauf kann aus einer überstandenen COVID-19 Infektion eine schwere Erkrankung entstehen, die den gesamten Organismus belastet.

„Post Covid“ und „Long Covid“ zeigt sich in unterschiedlichen, zum Teil quälenden Symptomen wie Gehirnnebel, Gedächtnisproblemen, Konzentrationsstörungen, starker Erschöpfung und ungewöhnlicher Müdigkeit, Herzrhythmusstörungen, Atemnot bei geringen Belastungen, Muskelschmerzen und vielen anderen Beschwerden.

Auch Wochen und Monate nach der Infektion mit dem Coronavirus leiden diese Personen weiterhin an den gesundheitlichen Folgen der Erkrankung. Offiziell gelten die Betroffenen zwar als genesen, doch scheint es für viele nahezu unmöglich, das gewohnte Leben weiterzuführen.

Gerade jüngere Menschen, die eine Covid-19 Erkrankung glimpflich überstanden haben, klagen nicht selten über diese Spätfolgen. Rund 10% der Erkrankten leiden daran.

Welche Behandlung gibt es für Long-Covid?

Nach wie vor fühlen sich viele Patientinnen und Patienten nicht ausreichend unterstützt, teilweise nicht einmal ernst genommen. Wie soll man also umgehen mit dieser Krankheit, die das Leben maßgeblich verändert?

Jeder Therapieansatz muss ganzheitlich und individuell sein und alle körperlichen, psychischen und sozialen Folgen von Long COVID mit einbeziehen. Wichtig ist auch, was man als Betroffene/r selbst tun kann, um nach einer Langzeiterkrankung wieder zu genesen.

Meryns Sprechzimmer: Long Covid – Die neue Volkskrankheit.

Wochen und Monate nach der Infektion mit dem Coronavirus leiden einige Menschen weiterhin unter den gesundheitlichen Folgen der Erkrankung. Offiziell gelten die Betroffenen zwar als genesen, doch scheint es für viele nahezu unmöglich, das gewohnte Leben weiterzuführen.

Chronische Erschöpfung zieht sich durch den Alltag, ein Nebel im Gehirn erschwert das Denken, hinzu kommen häufig Symptome wie Herzrasen, Gelenksschmerzen oder ein beklemmendes Stechen in der Brust. Post Covid äußert sich in zahlreichen grundverschiedenen Beschwerden; dementsprechend herausfordernd ist die Erforschung des neuartigen Krankheitsbildes, was Betroffene vor eine weitere Belastung stellt: Speziell zu Beginn der Pandemie gab es kaum Erkenntnisse über Long Covid sowie nur wenige Hilfsangebote für PatientInnen. Und nach wie vor fühlen sich viele nicht ausreichend unterstützt, teilweise nicht einmal ernst genommen.

Wie also umgehen mit einer Krankheit, die das Leben maßgeblich verändert, doch noch keine Hoffnung auf zuverlässige Heilung zulässt? Gibt es neue Therapien, die Erkrankten helfen könnten? Wie lange halten die Symptome an und weshalb trifft Long Covid auch jüngere Menschen?

Diese und weitere Fragen diskutiere ich mit

  • Alexa Stephanou, Long Covid-Patientin und Gründerin der Selbsthilfegruppe Long Covid Austria
  • Michael Stingl, Neurologe und Long-Covid-Spezialist,
  • sowie Prof. Mariann Gyöngyösi, Kardiologin und Leiterin der Post-Covid-Ambulanz, AKH Wien.

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Bewusst Gesund: Aktuelles zu Long Covid und Covid-19.

Die WHO rechnet mit 17 Millionen Menschen in Europa, die von Long Covid betroffen sind. Darunter auch junge Menschen, die teilweise einen milden Covid-Verlauf hatten.

  • Womit haben Long Covid-Patientinnen und Patienten zu rechnen und welche Behandlungsmethoden gibt es?
  • Schützen FFP2-Masken vor einer Infektion?
  • Gibt es neue Studien zu COVID-19?
  • Für wen wird die vierte oder fünte Impfung empfohlen?
  • Wird es neue angepasste Impfstoffe, welche Impfung ist sinnvoll?
  • Wie häufig sind bisher Impfschäden vorgekommen?

Antworten auf diese Fragen zu Post-Covid und Covid-19 erhalten Sie im ORF „Bewusst Gesund“-Gespräch mit Christine Reiler (März 2023).

» Hier geht es zum Video bei YouTube.

Long Covid – die neue Volkskrankheit?

Es mangelt an Hilfsangeboten, Patienten fühlen sich allein gelassen, teilweise nicht einmal ernst genommen. Wie also umgehen mit Post Covid, einer Krankheit, die Leben einschneidend ändert, für die man aber noch keine zuverlässige Therapie kennt?

Offiziell gelten die Betroffenen zwar als genesen, doch scheint es für viele nahezu unmöglich, das gewohnte Leben weiterzuführen. Chronische Erschöpfung zieht sich durch den Alltag, ein Nebel im Gehirn erschwert das Denken, hinzu kommen häufig Symptome wie Herzrasen, Gelenksschmerzen oder ein beklemmendes Stechen in der Brust.

Anhaltende Beschwerden nach einer akuten Corona-infektion bezeichnet man bis zu vier Wochen danach als Long Covid. Das Post-­Covid-Syndrom liegt laut WHO dann vor, wenn drei Monate nach einer Infektion mit SARS-Covid-2 Symptome vorliegen, die nicht durch eine andere Diagnose erklärbar sind. Nach aktuellen Schätzungen können 5–15 Prozent der Infizierten ein Post-Covid-Syndrom entwickeln. Eine von ihnen ist Alexa Stephanou.

„Auch wenn sich die Politik dagegen noch verschließt, muss aufgrund der volkswirtschaftlichen Auswirkungen Long Covid bereits als Volkskrankheit behandelt werden.“ Zitat von Alexa Stephanou, Long-Covid-Patientin und Gründerin der Selbsthilfegruppe „Long Covid Austria“. Daneben ist ein Foto von ihr zu sehen. Die junge Frau hat schulterlange blonde Haare, trägt eine weiße Bluse und einen graublauen Blazer. Sie lächelt in die Kamera.

„Sie waren ja vor circa 1,5 Jahren schon mal in der Sendung. Wie geht es Ihnen heute?“, eröffnet Meryn das „gesunde Gespräch“.

Stephanou: „Es ist nach vielen medikamentösen Versuchen heute besser geworden, aber man weiß nie, ob der Zustand wieder schlechter wird.“

Meryn: „Ich freue mich mit Ihnen und es macht auch vielen Zuseherinnen und Zusehern Mut, denn ich erinnere mich, wie verzweifelt Sie waren. Was ist aber noch da, was noch beeinträchtigt?“

Stephanou: „Die Erschöpfungszustände, die einfach unberechenbar sind, sind nach wie vor so da, dass ich keiner geregelten Arbeit nachgehen kann. Das ist natürlich lebenseinschneidend.“

Meryn hakt nach: „Das heißt, Sie haben dazwischen gute Tage, wo Sie sagen, da könnten Sie arbeiten, aber dann kommen schlechte.“

Stephanou: „Ja, wobei ich es inzwischen gut einteilen kann und auch spüre, wann was kommt. Ich müsste nur ein so reduziertes Leben leben, wenn ich gar keine Verschlechterungen riskieren will, dass ich einem sozialen Leben nicht mehr nachgehen könnte. Inzwischen sind sehr gute Tage da, aber definitiv nicht zu vergleichen mit früher.“

 

Meryn: „Frau Gyöngyösi, Sie sehen meist die besonders schweren Fälle in der Ambulanz. Wenn Sie die letzten Jahre Revue passieren lassen, was hat sich an Ihrer Arbeit geändert? Und welche Veränderung erleben Sie an den Symptomen der Menschen, die zu Ihnen ­kommen?“

Gyöngyösi: „Inzwischen haben wir eine strukturierte Diagnostik aufgebaut. Das heißt, wenn wir eine Diagnose finden, können wir die Patienten sehr gut behandeln. Wir können den Patienten auch mehr Sicherheit geben, weil wir in der Lage sind, eine Therapieempfehlung zu geben. Bei den Alpha- und Delta-Varianten haben wir viele Patienten gesehen, die über chronische Müdigkeit geklagt haben, jetzt sehen wir mehr mit belastungsabhängiger Atemnot oder Müdigkeit. Das Krankheitsbild hat sich geändert, aber wir können die Behandlung sehr gut adaptieren. Aber es fehlt in Österreich noch an Anlaufstellen für Betroffene, denn so einfach ist die Diagnostik nicht. Auch ein Biomarker oder Ähnliches für eine eindeutige Diagnostik wäre wünschenswert, aber der fehlt derzeit auf der ganzen Welt.“

 

Meryn: „Herr Stingl, mittlerweile haben wir ja gelernt: Das Virus kann eigentlich in jedes Organsystem eindringen. In manche stärker, wie das Herz-Kreislauf-System, aber auch in das Zentrale Nervensystem, wie wir erst lernen mussten. Welche Symptome sind dafür charakteristisch?“

Stingl: „Strittig ist noch, ob das Virus das Zentralnervensystem tatsächlich kaputtmacht oder ob es indirekte Effekte sind. Aber die Hauptmerkmale, die ich als Neurologe sehe, sind Erschöpfung, Belastungsintoleranz, kognitive Probleme, wo es vor allem darum geht, dass Betroffene sagen, sie ermüden bei recht banalen Dingen wie dem Lesen eines Buches oder Fernsehen sehr schnell, oder wenn vier Leute beisammensitzen und reden – kann es für diese Menschen schon überfordernd sein, weil man sich so lange nicht konzentrieren kann. Es ist letztendlich ein buntes Sammelsurium, wo auch Schmerzen dabei sind.“

 

Meryn: „Viele meiner Long-Covid-Patienten berichten vom sogenannten Brain Fog, also dass man ein bisschen benommen, benebelt ist, viele sind extremen Stimmungsschwankungen unterworfen und interessanterweise eher jüngere Leute haben Schlafstörungen.“

Stingl: „Gerade bei Schlafstörungen ist es interessant, dass der Schlaf an sich oft passt, aber die Menschen trotzdem in der Früh das Gefühl haben, ein Lastwagen wäre über sie gefahren, also der Schlaf keine Erholung bringt. Ich habe für mich auch ein strukturiertes Vorgehen, was man durchgeht, Fragebögen, die man ausfüllt, die sich in meinem Fall meist auf Fehlfunktionen des vegetativen Nervensystems richten. Kernmerkmal von diesem Long-Covid-Typus und dem chronischen Fatigue-Syndrom ist einfach die Tatsache, dass man nach sehr banalen Tätigkeiten, wie im Haushalt oder kurzen Spaziergängen, komplett zerstört ist. Diese Art von Erschöpfung hat mit dem Begriff, wie wir ihn vorher kannten, nichts zu tun. Das ist leider sprachlich nicht abgebildet und letztendlich die große Kritik an der Bezeichnung Chronic Fatigue Syndrom, weil es etwas verharmlosend wirkt, genauso wie Brain Fog eine verharmlosende Bezeichnung für das ist, was die Leute kognitiv haben.“

Meryn: „Vielfach herrscht in der Öffentlichkeit die Ansicht, dass Long Covid nur jene bekommen, die schwer krank waren. Oder es bekämen nur ältere Menschen. Sie sitzen da, sind eine junge Frau mitten im Leben und davon betroffen. Es kann jeden treffen.“

Stephanou: „Absolut. Die meisten in unserem Verein sind zwischen 20 und 50. Und überwiegend Frauen. Da darf ich das, was Dr. Stingl gesagt hat, noch ergänzen um eine Sache, die Long Covid stark ausmacht – bei vielen Frauen kommen sehr starke Zyklusschwankungen dazu. Manchmal fällt der Zyklus komplett weg, aber es gibt auch Fälle, ich bin davon betroffen, einer verfrühten Menopause. Das ist etwas, worauf die meisten Frauen erst jetzt langsam und meist, so wie ich, zufällig draufkommen. Das ist etwas, was ich nun verstärkt versuche, in die Medien und damit unter die Menschen zu bringen, denn hier spielt der Faktor Zeit eine sehr große Rolle. Wenn die Menopause einmal eingesetzt hat, war es das. Wir wissen ja auch, dass Long Covid so viele Frauen betrifft, weil es auch mit den weiblichen Hormonen zusammenhängt. Aber ansonsten kann ich alles, was Dr. Stingl gerade gesagt hat, nur von mir selbst bejahen.“

 

Meryn: „Waren Sie bei Ihrer Erkrankung geimpft?“

Stephanou: „Das war im März 2020, da gab es noch keine Impfung. Und in der Selbsthilfegruppe ist es schwer zu sagen, da wir danach ganz bewusst nicht fragen. Laut Literatur und von meinem Gefühl nach betrifft es mehr Ungeimpfte. Wir haben jetzt auch Post-Vaccine-Patienten mit in die Gruppe aufgenommen. Da haben wir lange überlegt, weil es zwar dieselben Symptome sind, aber ein völlig anderer Ursprung.“

„Die Diagnose und Behandlung von Long Covid ist für die Medizin nach wie vor sehr schwierig, die Auslöser der Begleiterscheinungen liegen mitunter noch im Dunkeln.“ Zitat von Prof. Mariann Gyöngyösi, Kardiologin und Leiterin der Post-Covid-Ambulanz, AKH Wien Daneben ist ein Foto von ihr zu sehen. Die Dame trägt eine grauen Sweater mit Shirt unter einem grauen Blazer. SIe lächelt in die Kamera.

Meryn: „Im Deutschen Bundestag wurde nochmal festgehalten, dass international von der WHO bis hin zu nationalen Gesundheitsorganisationen Long Covid als Post Vaccine Symptom, also nach einer Impfung, als Impfschaden nicht anerkannt ist. Sehen Sie auch solche Patienten in der Ambulanz?“

Gyöngyösi: „Ursprünglich hatten wir als Voraussetzung für eine Anmeldung einen positiven PCR-Test. Aber genauso wie für Covid gibt es für Patienten mit Konsequenzen nach einer Impfung zu wenige Anlaufstellen. Also landen auch diese bei uns. Und wir wissen schon, dass ein gewisser Prozentsatz der PCR-Tests ein falsch-negatives Resultat angibt.
Aber Long-Covid-Symptome nach einer Impfung sind Gott sei Dank viel viel seltener. Es gibt eine Studie in den USA, durchgeführt vom NIH, dem National Institute of Health, die Patienten mit Long-Covid-Symptomen nach einer Impfung untersucht und begleitet haben, sie konnten aber bis jetzt keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Impfung und den Symptomen feststellen. Bei den allermeisten sind die Symptome nach einer Zeit auch wieder verschwunden.“

 

Meryn: „Ich habe das Gefühl, dass viele Patienten mit ihren Symptomen leider immer noch nicht ernst genommen werden.“

Gyöngyösi: „Ja, das sehen wir oft, dass die Patienten sehr dankbar sind, wenn einfach mal jemand zuhört und sie ernst nimmt. Es ist meist eine Odyssee, die die Patienten machen.“

Stingl: „Das sehe ich genauso. Ich finde das eine absolut leidige Diskussion mit Psychosomatik etc. Auch das wäre eine schwerwiegende Erkrankung, die halt anders behandelt gehört.“

Stephanou: „Genau, es ist ein Kampf von Anfang an, wo man ohnedies keine Energie hat. Und bezüglich Arbeitsunfähigkeit: Ich bin jetzt gezwungen, ins Ausland zu ziehen, weil ich mir das Leben in Österreich nicht mehr leisten kann, weil ich einfach auch durch jegliches soziales Raster falle. Ich hab das Glück, dass mich meine Familie finanziell unterstützen kann, aber was würde ich sonst machen? Ich bin kein Einzelfall. Das ist ganz wichtig. Als Sie gesagt haben ernst nehmen, da wollte ich Sie grad umarmen, weil das ist genau das, was wir brauchen. Und Ratschläge, was man tun kann. Und da sind wir auch schon in der Politik angelangt. Sie verschließt sich hier gegen etwas, das unvermeidlich kommen wird. Denn es gibt inzwischen mehr als 500 000 Long-Covid-Fälle, die Dunkelziffer ist nicht bekannt. Und das betrifft nur Österreich. Eine Zahl, die man nicht unter den Teppich ­kehren kann.“

 

Meryn: „Noch kurz zu den aktuellen Therapiemöglichkeiten. Was versteht man unter dem inzwischen fast berühmten Pacing?“

Stingl: „Man muss vorausschicken, das betrifft eine Untergruppe von Long-Covid-Patienten, die eben diese Belastungsintoleranz haben. Das ist inzwischen sogar in den Leitlinien der WHO drinnen, was ich großartig finde.
Man muss erkennen, wo die Grenzen sind und Aktivität in dem Rahmen setzen, wo diese Verschlechterung nicht eintritt. Das heißt nicht, dass man den ganzen Tag im Bett liegen muss, aber dass man den Tag gut strukturieren muss.“

 

Meryn: „Welche Hoffnungsschimmer in der ­Therapie haben sich im Laufe der Zeit nun aufgetan?“

Gyöngyösi: „Das richtet sich je nach Patient und Symptomen. Patienten mit neurologischen/psychologischen Symptomen schicken wir zu den Covid-Spezialisten unter den Neurologen, also zu Dr. Stingl. Haben sie pulmologische Symptome, gehören sie zu Pulmologen und die dritthäufigste Gruppe sind kardiovaskuläre Symptome, da haben wir sehr gute Erfahrungen am AKH in der Ambulanz. Hier empfehlen wir, eine Magnetresonanz zu machen.
Und das entspricht auch der internationalen Literatur, bei etwa 30 Prozent der Patienten mit Kardio-Symptomen haben wir beim MR dann Veränderungen gefunden, also leichte Entzündungen am Herzbeutel etwa. Damit ist bewiesen, dass sich die Leute das auch nicht einbilden.“

 

Zum Abschluss der wichtigste Tipp der Experten.

Stingl: „Sich nicht abwimmeln lassen und eine gute Abklärung bekommen.“

Stephanou: „In sich selbst hören, auf das eigene Bauchgefühl und das dem Arzt so mitteilen.“

Gyöngyösi: „Die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Symptome irgendwann verschwinden und dass auch dieses Virus einmal endemisch wird, also ohne klinische Symptome.“

Long Covid Austria – Verein & Betroffeneninitiative: longcovidaustria.at